Herrin Lolth wir loben dich!
Wenn in einem Haus die Grausamkeit fehlt, findet sie immer einen Weg doch hinein zu dringen. Meine Lehrmeisterin und Schwester Carcelen Millithor zeugte in mir den Gedanken von Sorglosigkeit, ein Gift, dass in meinen Venen wütete. Nicht umsonst ist unsere erstgeborene Schwester Narcelia
das Gegenteil von ihr. Doch grausam, grausam ist keine von Beiden - das mag wohl ihre Schwäche sein. Vielleicht ergibt sich daraus einmal die Möglichkeit beide zu beseitigen und nach dem Tod unserer Mutter Matrone diesen Platz einzunehmen. Denn die Grausamkeit unsere Rasse fand doch noch einen Platz unter uns Schwestern. In mir.
Mein Name ist Nedylene Millithor, jüngste Tochter des Hauses Millithor und das ist meine Geschichte.
Um mich zu verstehen, solltet Ihr wissen, dass ich durch meine ältere Schwester Carcelen zwar schon eine strenge Erziehung genossen habe, aber durch ihre unbekümmerte Lebensweise verdarb sie mich auch. Natürlich achte ich sie, schließlich zeigte sie mir Lolths Weg, lehrte mir Respekt vor der Mutter Matrone und den Priesterinnen und zeigte mir, wie sehr man anderen Drows trauen kann - nämlich gar nicht - aber ich fühlte immer, dass ihr Weg nicht der Meine ist. Ich vermisste die Härte der Mutter Matrone in ihr.
So war es kein Wunder, dass ich in Arach-Tinilith bereits am ersten Tag der kalten Unbarmherzigkeit von Ilivarra Mylyl, dritte Tochter des Haus Mylyl, verfiel. Ihr Haus gehört zu seinem der führenden Zwanzig.
Ilivarra war so anders als meine Schwestern, schon allein ihr Antlitz zeigte die Mimik von kaltem Stein, nichts war in ihren Zügen herauszulesen. Das Feuer in ihren Augen brannte so eisig, war aber gleichzeitig von der Schärfe bester Stichwaffen. So hätte ich mir meine Erzieherin gewünscht, sie wäre grausam und unbarmherzig zu mir gewesen.
Mir kam es immer so vor, als hätte mich Carcelen nicht richtig geformt, als wäre die wahre Drow-Seele in mir noch nicht erwacht.
Ilivarra und ich respektierten uns vom ersten Tag an, wir waren bald verschworen, als gäbe es ein Band zwischen uns. Trotz der strengen Leitung von Quenthel Baenre und dem Wissen über deren unbarmherzigen Bestrafungen ermutigte mich Ilyarra zu ersten feinen Intrigen. Und Lolth wachte über uns. Wir kamen ungestraft davon, so wurden wir mit unseren Taten immer mutiger.
Bei Ilivarra vergaß ich mit der Zeit den wichtigsten Spruch - Khaless nau uss mzild taga dosstan (Vertraue niemanden mehr als dir selbst) - ich war so eine Närrin. So eine blinde Närrin. Als sie mich zu einem verbotenen Ausflug aus der Akademie überredete, hätte ich auf die Stimme der Weisheit, die dereinst Narcelia in mir erweckte, hören sollen - aber nein, ein striktes Verbot von Quenthel Baenre zu brechen, sollte meine Mutprobe sein. Das waren die Worte von Ilivarra gewesen. Und sie hätten mir die Verdammnis bringen sollen.
Zu einer Zeit, als wir uns in Meditation üben sollten, schlichen wir uns aus der Akademie. Verbündete von Ilivarra, sowie Sklaven ihres Hauses brachten wir uns Vergnügungsviertel. Dort versprach mir meine Mit-Intrigantin ein Erlebnis, welches mein Leben verändern würde. Das Freudenhaus, in dem wir einfielen, war voller Männer, die alleine für unseren Spaß da sein - und es waren wahrhaftig prächtige Exemplare darunter. Wir tranken Wein, während wir uns an diesen erfreuten. Mit jedem Herzschlag zeigte mir Ilivarra neue Grausamkeiten, die Lustsklaven wandten sich in ihren Ketten, und krümmten ihre Rücken unter unseren Stiefeln. Und mit jedem Schritt, den Ilivarra tat, zog ich mit. Die Peitschen rissen den Rücken unsere Lustsklaven auf, während wir uns wie im rausch mit ihnen vereinigten. Es war absolute Kontrolle und Macht. Als Ilivarra den Ihrigen im Augenblick seines Höhepunktes tötete, wollte ich es ihr gleich tun. Jedoch, mir schwanden die Sinne. Wie ich später herausfand, hatte das Gift in dem Wein seine Wirkung entfaltet. Doch sie wollte mich nicht einfach nur töten, nein vielmehr wollte sie auch meinem Haus schaden.
Als ich erwachte, war ich voller Blut - nicht meines, vielmehr lag ein verstümmelter Leichnam neben mir - Alak Mylyl, zweitältester Sohn des Hauses Mylyl, der gerade die Kriegerakademie Meele-Magthere besuchte - Ilivarras Bruder. Ich hatten ihn bei einer Feierlichkeit unserer Akademien kennen gelernt, Ilivarra hatte uns vorgestellt. Das Blut wallte zwischen uns und am liebsten hätte ich mit ihm das Lager geteilt - jedoch, es war nicht möglich - und nun lag er neben mir und sein Blut klebte an meinen Händen. Mein Kopf war noch von Dunkelheit und Verwirrung umhüllt, als die Tür aufging und Schüler der Akademie uns dort liegen fanden.
Es war nicht der Mord an sich, der mir zu Lasten gemacht wurde, sondern seine offene Art und Weise.
Es war die Mutter Matrone, die man als erstes zu mir brachte - sie hatte sicher ihre guten Beziehungen zum Haus Baenre spielen lassen. Ich kniete vor ihr, als sie sprach: "Du hast Schande über unser Haus gebracht!"
"Wenn dem so ist, opfert mich der Herrin! Wenn sie mir zürnt, tötet mich und lasst meinen Namen für ewig verflucht sein! Ich weiß, ich habe die Herrin erzürnt, indem ich die Meditation verließ. Dafür bin ich bereit zu sühnen. Aber für den offenen Mord an Alak Mylyl sagt ihr mir, ob mein Leben verwirkt ist!"
"Ich befragte Lolth und sie schickte mir einen Diener! Du wirst deine Strafe erhalten, aber es wird nicht dein Leben sein! Denn sie ist nicht erzürnt! Vielmehr gefiel ihr der Tod von Alak Mylyl, denn er war schwach und hatte sich von ihr abgewandt!"
Dann wandte sie sich ab und ging. Ich blieb alleine zurück.
Den nächste Besuch, den ich bekam, war in der Form meiner Schwestern.
Während Narcelia ihre Enttäuschung offen trug, behandelte mich Carcelen mehr als Opfer, den als Schuldige. Schon bald stellte sich heraus, was man mir vorwarf - mich von Lolth abgewandt zu haben, indem ich ein Verhältnis mit Alak Mylyl angefangen hatte und mich mit ihm aus Menzoberranzan absetzen wollte. Da er sich aber weigerte, hätte ich ihn einem Anfall von Blutrausch umgebracht. Und je mehr ich den Worten meiner Schwestern lauschte, desto klarer wurde mir die Intrige, die Ilivarra gegen mich gesponnen hatte - all die kleinen Dinge, zu denen sie mich angestachelt hatte, all die kleinen Intrigen gegen Andere, die teilweise sogar mitgespielt haben könnten, Hunderte Mal hätte es mir bewusst sein sollen, dass an ihren Worten etwas nicht stimmte, Hunderte Male hatte ich es ignoriert. Wahrscheinlich war genau das, was Narcelia so enttäuschte.
Alles formte sich zu einem Bild. Nur das Warum fehlte mir. War es gegen mein Haus gerichtet? Oder gegen das erste Haus, mit dem wir einen ausgezeichneten Kontakt pflegten? Oder gegen mich? Nur warum?
Ilivarra hatte sogar Zeugen gefunden, die behaupteten, gesehen zu haben, wie ich mich aus der Akademie geschlichen hätte.
Zwar fehlte mir das Wissen, ob ich unter Einfluss des vergifteten Weins oder wer anderer den Mord vollbracht hatte, aber das Ableben des Drows war mir eigentlich egal. Da sich die Spinnenkönigin von ihm abgewandt hatte, war ein Zeichen, dass zumindest dieser Teil von Ilivaras Geschichte nicht nur aus puren Lügen aufgebaut war.
Doch ich wusste nicht, wie ich Ilivaras Intrige aufdecken sollte - ich betete die Herrin an, fest im Glauben. Mein Leben lag in ihrer Hand Quenthel Baenre war es jedoch, die mich richtete. Im Versammlungsraum von Arach-Tinilith fand das Urteil statt. Vor den Augen meiner Familie und den anderen Schülern sollte das Machtwort gesprochen werden.
Doch dann rief Quenthel Baenre den Namen Ilivarras - auch sie solle hervor treten. Mochte Ilivarra im ersten Augenblick noch geglaubt haben, sie würde für ihr Haus sprechen, so regte sich zum ersten Mal ein winziger Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie erfuhr, dass sie ebenfalls angeklagt sei. Es war der Ausdruck von Angst.
Ihre kleinen Spiele, ihre Intrigen, ihre Lügen waren der
Akademie-Leiterin nicht verborgen geblieben, selbst unser Ausflug klappte nur, weil sie uns gehen ließ.
Während sie uns all die Verfehlungen an den Kopf warf - und wir
schweigend vor der versammelten Menge gedemütigt wurden - gab es keinen Augenblick, an dem ich an Lolth zweifelte. Mochte die Tat auch mit meinem Opfer oder mit dem Verlust von Gliedmassen verbunden sein - in Quenthel Baenres Auftrag musste sich bereits eine Mitschülerin einen Finger abschneiden - ich würde es mit Würde empfangen. Mein Haus sollte nicht mehr unter meiner Dummheit leiden.
Das Urteil fiel jedoch ganz anders aus. Sowohl Ilivarra als auch ich
wurden als schuldig empfunden und wir wurden beide von der Akademie verwiesen.
Den Blick, denn mir Illivarra nach diesen Worten zuwarf, war so voller Hass, als wolle sie mich vor der gesamten Belegschaft aufschlitzen, jedoch ich erwiderte diesen nur mit einer fast unauffälligen abfälligen, verachtenden Geste. Das letzte Wort zwischen uns war noch nicht gesprochen, ganz im Gegenteil, der Krieg zwischen uns hatte erst begonnen.
Quenthel Baenre entließ uns in die Obhut unserer Häuser. Erst, wenn sie uns riefe, dürften wir die Treppe zur Tier Breche wieder besteigen - bis dorthin waren wir von hier verbannt. Der Raum war von Verachtung durchdrungen, wir waren Gefallene vor der Spinnenkönigin - und so mancher war sicher enttäuscht, dass hier kein Todesurteil gefällt wurde.
Schweigend verließen Ilivarra und ich die Akademie, beide in Begleitung unserer Schwestern.
Daheim wurde ich in meine Kammer gebracht, niemand sprach mich an, niemand beachtete mich - selbst Zargyl, der jüngste Adoptivsohn des Hauses, mit dem ich ein zuvorkommendes Verhältnis hatte, musste an mir vorbeisehen. Als wäre ich gestorben, als wäre ich nur ein Geist.
Man verschloss die Kammer und seitdem warte ich ...
Herrin Lolth, ich erwarte dein Urteil...
Xular - 8. Jan, 11:47